Durch Feuer und Rauch

Er lag da. Flach auf der Erde. Benommen öffnete er langsam die Augen. Es spiegelten sich Flammen darin. Nur leise hörte er entfernt ein Wimmern. Vorsichtig bewegte er seine Finger, seine Arme, seine Beine. Es schien noch alles dran zu sein und zu funktionieren. Er hob langsam seinen Kopf. Er dröhnte vor Schmerzen. Dennoch stand er, alle seine Kräfte zusammennehmend, auf. Er blickte zum Wald, aus dem sie gekommen waren. Es war keiner mehr zu sehen. Es wurde langsam dunkel. Er blickte sich um. Um ihn herum lagen verstreut Leichen. Direkt vor ihm lag ein Arm. Nur zögerlich suchte er mit seinen Blicken nach dem Besitzer des Armes. Er würgte. Aus einer weiten Wunde am Torso des Toten der zu dem Arm gehörte klaftern Gedärme. „Bei Safnir!“ dachte er, die Wölfe hatten sie abgeschlachtet wie Schweine. Er ging zu dem Toten und schloss seine Augen. Er hörte erneut das Wimmern. Es war ein Junger Thorwaler, der eine Tiefe Schnittwunde am Hals aufwies. Er hatte ihn nicht gut gekannt. Aber das Wimmern berührte ihn trotzdem. Er ließ seinen Blick kurz über das Schlachtfeld schweifen, doch er konnte weit und breit keine Klinge sehen, mit der er dem Jungen bei seinem Leiden hätte helfen können. Er blickte sich noch einmal um, dann wand er sich ab und ging in die Richtung der Langhäuser.

Sie brannten lichterloh. Die Flammen züngelten um die Dächer wie Schlangenzungen und heißer Drachenatem. Im Hintergrund war ein fast spöttisch schöner Sonnenuntergang zu sehen. Die Balken der Häuser knarzten und ein Funkenregen rieselte um sie herum zu Boden. Es war nichts zu machen. Es war einfach nichts zu machen. Weit vor den Häusern stand ein Karren, den die Wölfe wohl nur hiergelassen hatten weil eines der Räder gerade geflickt worden war und er deshalb nicht fahrbereit war. Er legte sich unter den Karren und versuchte zu schlafen. Er träumte wirres Zeug, von schweren Stürmen und schreienden Menschen, von dunkler Nacht und hellen Feuern. Es zischte Laut und eine riesige schwarze Schlange schnappte nach ihm. Er sah ihre riesigen Fangzähne vor sich. Er schreckte zusammen und wachte auf. Es regnete in Strömen und die Sonne lugte nur zaghaft hinter den Bergen hervor. Er kroch unter dem Wagen hervor. Es war gut, dass es regnete. Es kühlte und half gegen die immer noch pochenden Schmerzen in seinem Kopf. Auch die Langhäuser waren abgekühlt und qualmten nur noch wenig. Sie sahen jetzt aus wie Gerippe von großen Seeungeheuern.

Er machte sich daran die Häuser zu durchsuchen. Fast alles war verbrannt, und die Wölfe waren sehr gründlich darin gewesen alles das Wert hatte mitzunehmen. Er fand nur noch einen kleine Schneidzahn den jemand aus Ermangelung an besseren Küchenutensilien zum ausnehmen eines Fisches verwendet hatte und der deshalb vor den Häusern an einem Baustumpf lehnte. In einer Ecke fand er noch ein Stück verkohltes Brot, das er sich hungrig zwischen die Zähne steckte.

Er setzte sich vor die Häuser. Es war weit und breit keiner zu sehen. Es schienen alle geflohen zu sein. Was nun? Er war erst vor einem Winter hierhergekommen, nachdem er mit seiner Ottajasko in einen starken Sturm geraten waren und das Schiff in den Wellen zerbrochen war. Es war als hätten sie Hrannga wahrhaftig vor sich gesehen. Von der Mannschaft hatten es nur wenige lebend an Land geschafft. Auch seine Mutter hatte er zuletzt gesehen als sie über Bord gespült worden war. Sein Vater war schon vor langem bei einem Strandhögg gestorben. Doch Swafnir war immer auf seiner Seite gewesen und hatten ihn beschützt. Auch dieses Mal würde es so sein, beschloss er. Er faste an den Anhänger Swafnirs an seinem Hals. Er spürte Zuversicht. Das war seine Bestimmung. Er würde wieder auf Herferd gehen. Die Runjas sponnen die Fäden und er spürte, wie auch sein Schicksal schon bestimmt war. Er würde zu den Wölfen gehen. Keiner kämpfte wie sie und keiner war so wagemutig. Außerdem hatten sie wohl gute Freunde und ein gutes Leben.

Diese Gedanken stimmten ihn so glücklich, dass er für einen Moment fast das Leid um ihn herum vergas. Doch es gab noch etwas das er tun musste, bevor er sich zum Berg der Wölfe aufmachen würde. Er nahm den Schneidzahn und ging zu dem Jungen, der inzwischen nur noch leise atmete. Er schwang den Schneidzahn und schnitt ihm gekonnt die Lufröhre entzwei, so dass er nur noch wenige male zuckte und sich dann auf den Weg zu Swafnir machte.

Er machte sich auf den Weg und folgte dem Merek. Er versuchte sich einen Fisch zu fangen, doch das Geschick dafür war ihm nicht gegeben. Er war Fischer gewesen bevor er mit seinem Vater auf die erste Herferd gegangen war. Doch begabt war er nie gewesen. Die Sonne prallte gleißend vom Himmel und er lief im Schatten der Bäume am Ufer um sich vor ihr zu schützen. So wanderte er einen Tag und schlief im Wald auf Moss. Am nächsten Tag lief er weiter. Er fragte sich schon wie er genau wissen sollte wie er wohl zu den Wölfen gelangen sollte, als er einen Trampelpfad im Wald entdeckte der den Berg hinauf führte. Er griff an seinen Anhänger, Swafnir war bei ihm, er spürte es.

Im Wald war es angenehm feucht und kühlt. Nach einer Weile roch er Rauch und es wehte ihm auch der Duft von Hangikjöt in die Nase. Er sah ein Haus im Wald stehen. Er schritt an das Haus heran. Nicht nur aus dem Dach kam Rauch, er war so dicht, dass er auch unter der Tür hervorquoll. Er klopfte an die Tür und öffnete sie langsam. Der beißende Rauch stieg ihm in die Augen und brannte so stark das er sie schließen musste. Als er sie blinzelnd langsam wieder öffnete, blickten ihn zwei leuchtende stahlgrüne Augen aus dem Schatten eines Mantels an, der den Rest des Gesichts in pechschwarzem Dunkel ließen. Zu den Augen gehörte eine mindestens zwei Schritt große hagere Gestalt. Sie sagte nichts und blickte ihn nur durchdringlich und mit einer spürbaren Ruhe an. Er meinte die Gestalt vom Schlachtfeld bei der Sippe vom Thoralf wiederzuerkennen.

Nun da sich seine Augen langsam an die Dunkelheit im Haus und an den Rauch gewöhnt hatten sah er aus den Augenwinkeln zwei weitere Gestalten an einem Feuer sitzen, einen Jungen bärtigen und einen sehr alten Mann. Die Wände des Hauses waren mit Runen verziert. Er griff unwillkürlich an das Metal am Schneidzahn den er an seinen Gürtel gehängt hatte. „Swafnir, wo hast du mich denn hier hergeleitet?“, fragte er im Stillen.

„Setz dich“, sagte nun der Alte. Der Schattenmensch glitt zum Feuer ohne ihn aus den Augen zu lassen. Auch er ging langsam zum Feuer und setzte sich. „Was führt dich zu uns?“ frage der Alte. „Swafnir“ erwiederte er. „Und was meinst du hat Swafnir hier mit dir vor?“, insistierte der Alte. „Das wissen nur die Runjas, denke ich“, antwortete er. Sie schwiegen eine Weile und er starte ins Feuer um den stahlgrünen Blicken der Schattengestallt auszuweichen. Doch um die Wölfe zu finden war es vielleicht ratsam bei diesen Fremden in Erfahrung zu bringen, wo er sie finden konnte. „Ich bin vor einem Winter nach Muryt gekommen nachdem Hraanga unser Dachenboot in die Tiefe gezogen hat“. Er erblickte, wie bei dem Ausspruch dieses Namens selbst die Schattengestallt an das Metall eines Amuletts um seinen Hals faste. „Swafnir hat es gut mit mir gemeint und mich zu einer Sippe geführt die in der Nähe von Muryt lebt und der es gut geht“. Er sah, wie den Fremden ein Hauch von Feindseligkeit über die Gesichter huschte. „Throalf ihr Hetmann hat eine paar Karren mit Saatgut und Eisen abgefangen, die für die Wölfe bestimmt waren. Sie haben sich gerächt und die Sippe ausgelöscht und die Häuser niedergebrannt.“ Hoffentlich hatte er jetzt nicht zu viel erzählt. „Und du? “ fragte der Bärtige neben dem Alten durchbohrend. „Ich bin nach der Schlacht auf dem Feld wieder aufgewacht. Swafnir sei dank bin ich ganz. Aber die Sippe gibt es nicht mehr und der Winter ist schon bald da und wird hart werden. Ich habe den Ruf von Swafnir gehört. Es ist jetzt meine Bestimmung mich einer neuen Ottajasko anzuschließen und wieder auf Herferd zu gehen. Deshalb werde ich die Wölfe aufsuchen und darum bitten mich ihnen anschließen zu können“.

„Swafnir hat seinen Gründe und die Runjas haben auch dein Schicksal gesponnen“, sagte der Alte zu ihm, dann wandte er sich zu der Schattengestallt und sagte „Beorn, lass uns sehen was die Runjas uns zu sagen haben.“

Eine Weile später befanden sie sich auf dem Weg zu den Wölfen. Er, der sich auch Bjeri nannte, Beorn, Ragi und Ingibjörg. Swafnir hatten ihn zum Glück nicht irregeführt und auch die drei Goden hatten gesehen das es Bjeris Bestimmung war zu den Wölfen zu gelangen.