Unser ist das Meer – Kapitel 15

Unter lautem Knirschen traf der Drakkar auf den Strand. „Strandhögg“, brüllte Faenwulf und schwang sich über die Reling. Wasser spritzte hoch, als er mit seinen hohen Stiefeln in der Brandung landete, seine Orknase fest umklammert. Dann rannte er los. Dicht gefolgt hörte er hinter sich die anderen Thorwaler, die brüllend und grölend auf das Dorf zu preschten. Durch ihre leichte Rüstung waren sie wendig und hatten den kurzen Strandabschnitt schnell überquert. Die ersten Menschen kamen aus ihren Häusern, hektische Rufe drangen zu ihnen, die immer lauter und panischer wurden. Einige Männer traten ihnen mit Harpunen entgegen, andere mit kurzen Schwertern, Hämmern oder Messern, doch die Thorwaler rammten sie, wie ein Pottwal ein Walfangschiff rammt. Die ersten wurden nach hinten geschleudert, während Faenwulf dem nächsten schon seine Axt in die Seite rammte. Frauen begannen zu kreischen und weitere Männer traten nach draußen. Hinter sich hörte Faenwulf das Klingen von Metall und das Knirschen von Holz. Das Blut rauschte in seinem Kopf und er betrat das erste Haus. Schnell flogen seine Augen über den kleinen Raum in dessen Ecke eine völlig verängstigte Frau hockte. Ohne sich weiter um sie zu kümmern griff Faenwulf nach einer silbernen Schale und ließ sie in seinen Seesack gleiten. Mehr war hier leider nicht zu holen. Mit einer schnellen Bewegung riss er der Frau, die panisch in einer Sprache sprach, die Faenwulf nicht verstand, eine Bernsteinkette vom Hals und verließ das Haus. Draußen stellte sich ihm ein junger Mann entgegen, der eindeutig nicht von hier war. Er trug eine leichte Rüstung, die er sich offensichtlich schnell übergeworfen hatte und hielt ein schlankes Schwert in der Hand. Sein Atem ging schnell und sein Schwertarm zitterte leicht. Faenwulf hatte fast Mitleid mit ihm. Er überragte den Jüngling um einen halben Schritt, doch Faenwulf wusste auch, dass diese kleinen zierlichen Kerle häufig schnell waren wie Wiesel. Der Thorwaler schlug mit seinem Schild nach dem jungen Mann und dieser wich behände, fast tänzelnd, aus. Faenwulf seufzte innerlich und lockerte den Schneidzahn an seinem Gürtel. Diesmal griff der junge Mann zuerst an und stieß das Schwert in Richtung Faenwulfs Gesicht, um sich blitzschnell wieder aus der Reichweite des Thorwalers zu entfernen. Faenwulf blockte den Angriff ab, doch sofort folgte der nächste und der nächste. Mit dem großen Rundschild war es schwierig an Faenwulf heran zu kommen, doch so ein Schild wurde schwer. Trotzdem schaffte der Thorwaler es dem jungen Mann einen Schlag mit der Axt zu versetzen, verletzte ihn jedoch nicht so schwer wie gewollt. Auch Faenwulf musste einen Streich des Schwertes einstecken und er wurde langsam ungeduldig. Vorsichtig zog er den Schneidzahn aus seinem Gürtel, wobei der Schild seine Handlung verdeckte. Jetzt musste nur noch die richtige Gelegenheit kommen und er würde der kleinen Plage die Wurfaxt in die Brust rammen. Doch dazu kam es nicht. Gerade als Faenwulf einen Angriff andeuten wollte und der junge Mann sich darauf vorbereitete, wurde dieser zu Boden gerissen. Hjasgar hatte sich ihm unbemerkt genähert und ihn dann mit einem beherzten Schildstoß von den Füßen geholt. Faenwulf grinste erleichtert und vergrub dann das Blatt seiner Orknase im Rücken des Mannes, der kurz zuckte und dann liegen blieb. Die Frau, deren Haus Faenwulf gerade geplündert hatte, kam heraus gestürmt, warf sich auf den toten Jüngling und stieß lautes Wehklagen aus. Faenwulf ließ sie mit ihrer Trauer allein.

Die ersten Dächer des Dorfes brannten und einige der Mannschaft hatten schöne Schmuckstücke erbeutet. Karva steckte einen mit Edelsteinen besetzten Dolch in ihren Gürtel, während Wulfgrimm einen bronzenen Kerzenständer in einem Beutel verschwinden ließ. Blotgrimm zerrte eine schreiende Frau in ein Haus.

Faenwulf durchsuchte zwei weitere Häuser und erbeutete einige Ketten und Ringe. Die Gegenwehr der Dorfbewohner ließ immer mehr nach. Einige lagen tot in den Straßen, andere hatten sich in ihren Häusern verschanzt oder waren geflohen. Ein paar der Häuser standen nun komplett in Flammen und Faenwulf gab den Befehl zum Rückzug. Er wusste, dass seine Stimme und seine Sprache für die Bewohner fremdartig und bedrohlich klang. Es würde dauern, bis sie sich von diesem Angriff erholt hatten, doch Faenwulf wusste, dass dies nicht der erste thorwalsche Angriff auf dieses Dorf gewesen war. Mit schnellen Schritten zogen sie sich zur Vegahögg zurück, hievten ihre Beutestücke an Bord und schoben den Drakkar vom Strand. Nun hieß es wieder rudern, bis der Wind sie weiter trug und als Faenwulf das Kommando gab, holten sie die Ruder ein. Der Wind war kräftig und schob sie schnell über das blaue Meer. Mit breitem Grinsen leerte Faenwulf seinen Seesack und betrachtete mit seiner Mannschaft die Beutestücke.

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