Unser ist das Meer – Kapitel 17

Sie waren wieder auf See. Nach dem Högg waren sie alle gut ausgeruht, gesättigt und zufrieden. Niemand war mit leeren Händen auf die Vegahögg zurück gekehrt. Ein guter Start also.
Dazu stand der Wind gut und sie hatten kaum rudern müssen. Während der Rest der Mannschaft sich unterhielt oder sich die Sonne auf den Bauch scheinen ließ, beratschlagte Faenwulf sich mit Karva und Blotgrimm über ihr nächstes Ziel.
„Brabak“, dröhnte Blotgrimm. „Wir können Waren tauschen und vielleicht heuert uns jemand an. Eine Horde Thorwaler kann doch jeder gebrauchen.“ Faenwulf war skeptisch, hatte jedoch spontan keine andere Idee. Sie hatten noch viel Zeit und ein kleiner Abstecher nach Brabak konnte nicht schaden. „Vielleicht sollten wir auch…“ Ein Rufen von Eilif Holzauge unterbrach ihn. „Schwarze Segel!“, rief er, einen Arm um den Kopf des Drakkar geschlungen. „Schwarze Segel!“
Die Thorwaler blickten auf. Schwarze Segel konnten nur eins bedeuten. Eine Al’Anfanische Galeere.
Jeglicher Frohsinn war Zorn gewichen, bei manchen auch unverhohlenem Hass. Faenwulf musste kein Wort sagen. Es war klar, dass ihnen ein Kampf bevor stand und er schritt herüber zu seiner Ruderkiste um seine Krötenhaut heraus zu holen. Die meisten, zumindest die die leichte Rüstung besaßen, taten es ihm gleich. Schwere Rüstung, bis auf Helme, waren auf hoher See eher nicht ratsam. So schnell es ging zogen sich alle an und schnallten sich ihre Waffen um. Manche schickten kurze, wütende Gebete an ihren zornigen Gott.

Der Drakkar hatte Kurs auf die Galeere genommen und die ersten Rufe in einer fremden Sprache waren zu hören. Faenwulf überlegte, ob er etwas sagen sollte, doch er entschied sich dagegen. Die Feindschaft zwischen Thorwal und Al’Anfa saß so tief, dass Worte eigentlich überflüssig waren. Der Aal war geladen und die Stinktöpfe waren bereit. Jetzt hieß es der Galeere auszuweichen und den ersten Angriff zu machen. Der Drakkar war schneller und wendiger als die Galeere, doch der Rammsporn am Bug des Schiffes war vernichtend, wenn er sie traf.
Die Stimmung war angespannt und die sonst so fröhlichen Thorwaler von einer düsteren Stimmung befallen. Die Besatzung der Galeere rief ihnen offensichtliche Verspottungen zu, doch das kümmerte sie nicht. „Wir färben das Meer mit eurem Blut, ihr Hunde“, murmelte Faenwulf düster. „Los!“, brüllte er dann. Mit einem lauten Zischen schleuderte der Aal den Speer und verfehlte sein Ziel nicht. Ein Mann in lederner Rüstung, der laut Befehle brüllte, wurde durchbohrt und von Bord gerissen. Nur große Spritzer Blut zeugten davon, dass er überhaupt einmal dort gestanden hatte.
Schreie waren vom feindlichen Schiff zu hören, das jetzt so nah war, dass Faenwulf die verzerrten Gesichter der Männer erkennen konnte, gegen die er gleich kämpfen würde.
Die Thorwaler banden sich mit Essig getränkte Tücher vor Mund und Nase, kurz bevor zwei Stinktöpfe mit viel Schwung an Deck der Galeere geschleudert wurden. Der Gestank trieb ihnen sogar auf dem Drakkar die Tränen in die Augen und viele auf der Galeere, Besatzung wie Sklaven, begannen sich zu übergeben. Der Moment war günstig. Als das Schiff nah genug war, sprangen die Thorwaler auf die Galeere. Schnüre wurden gespannt, um ein auseinanderdriften der Schiffe zu vermeiden, Speere wurden geworfen und die erste Reihe der gegnerischen Besatzung wurde von den vorstürmenden Thorwalern einfach von ihren Füßen gerissen. Die Kinder Swafnirs brüllten ihren Zorn heraus und fällten alles, was ihnen vor die Äxte kam. Es war klar, dass sie im Falle eines Sieges, niemanden am Leben lassen würden.
Die angeketteten Menschen hockten sich ängstlich an die Bordwand, nicht wissend wer Freund oder Feind war. Geblendet vor Zorn schlug Faenwulf immer wieder zu. Er spürte kaum wie ihm ein Schwertstrich den Arm aufschnitt, sondern riss nur seinen Schneidzahn vom Gürtel und schleuderte ihn seinem Gegenüber entgegen. Mit einem lauten Knirschen grub sich die Klinge der Wurfaxt in die Brust des Mannes, der einen Schwall Blut erbrach und regungslos liegen blieb. Der Boden war rutschig von Erbrochenem, Blut und Eingeweiden und Faenwulf mahnte sich vorsichtig zu sein. Er riss die Wurfaxt aus dem Körper des Mannes und warf sie erneut. Wieder traf sie ihr Ziel und spaltete einem weiteren Al’Anfaner den Schädel.

Faenwulf kämpfte damit den Überblick zu behalten, seine Mannschaft zu zählen und dabei alle Angriffe abzuwehren, die versuchten ihn zu treffen. Der Skjald wäre hier praktisch gewesen, doch nicht sehr nützlich.

Im letzten Moment wich er einem Speerstich aus, ergriff den Schaft und riss den Speerträger von den Füßen. Der Zorn in ihm wuchs noch mehr. Mit einem gezielten Tritt seiner schweren Stiefel dellte er den Brustkorb des Mannes ein, der ihn blutspuckend verfluchte. Eigene Flüche ausstoßend stach Faenwulf den Mann ab wie ein Schwein.

Der Widerstand begann abzuebben. Die Galeere war verloren, das war klar und doch kämpften die Sklaventreiber bis zum bitteren Ende. Bryda wehrte sich gegen zwei Angreifer, als Faenwulf erneut zum Schneidzahn griff und einen von ihnen fällte.

Noch während Faenwulf die Wurfaxt aus dem Brustkorb seines Opfers zog, lenkte ein hohes Schreien seine Aufmerksamkeit zum Heck des Schiffs.
Ein Mann, offensichtlich einer der Sklaventreiber, hielt ein Kind in den Armen, ein breites Grinsen auf den schmalen, blutbefleckten Lippen. In seiner rechten Hand glänzte ein Dolch. In einer Geste des letzten Triumphs schnitt er dem Kind die Kehle durch. Blut schoss aus der Wunde, während das Leben in den Augen des Kindes langsam erlosch.

Zorn, von dem er dachte er könnte nicht größer werden, stieg in Faenwulf auf, doch ein Brüllen, das fast nicht mehr menschlich schien, lenkte ihn ab. Blotgrimm hatte den Mann fixiert und Wahnsinn glänzte in seinen Augen. Wieder brüllte er voller Zorn, die mächtige Axt fest ergriffen, und preschte los, wobei er Faenwulf von den Füßen riss. Schaum bildete sich auf seinen Lippen und alles auf seinem Weg zu dem Kindsmörder rammte er fort. „Swafskari!“, brüllte Faenwulf über den Kampfeslärm und zumindest die Thorwaler verstanden und reagierten sofort. Jeder von ihnen suchte den, der der Walwut verfallen war und ließ ihn nicht aus den Augen. Jetzt galt es nicht nur sich vor dem Gegner in Acht zu nehmen, sondern auch vor einem der ihren.
Blotgrimm hatte den Kindsmörder nun erreicht und so wie er es immer tat, schlug er mit seiner großen Axt zu. Der Haken bohrte sich tief in die Schulter des Mörders und mit einem Ruck riss er den nun kreischenden Mann zu sich. Seine große Hand schloss sich um dessen Hals, während er mit der anderen immer wieder zuschlug. Die Schreie verstummten sehr schnell und auch als der Kopf des Al’Anfaners nur noch ein blutiger Brei war, wagte niemand einzugreifen. Der leiser werdende Kampflärm lenkte jedoch Blotgrimms Aufmerksamkeit auf sich und mit einem weiteren wütenden Brüllen stürzte er sich auf den ihm am nächsten stehenden Krieger. Mit schier unbändiger Kraft riss er dem Mann fast den Arm aus, griff dann seine Axt und grub das Blatt tief in den Brustkorb des Mannes.
Wie ein Orkan fegte Blotgrimm über das Deck und mähte alles nieder, das ihm vor die Klinge kam. Die Thorwaler hatten ihre liebe Mühe die unschuldigen Sklaven aus der Reichweite des Walwütigen zu reißen, doch wie durch ein Wunder wurde nur Eilif leicht verletzt.
Als der Kampf entschieden war, sprang Faenwulf beherzt auf Blotgrimms Rücken, der immer noch tobte wie ein wütender Pottwalbulle. Bryda brachte den Hünen zu Fall und mehr und mehr der Thorwaler warfen sich auf ihren Kameraden, bis dieser sich nicht mehr rühren konnte. Es schien ewig zu dauern bis Swafnirs Zorn abebbte und Blotgrimm verlor das Bewusstsein.

Jetzt war es Zeit sich umzusehen. Die meisten ihrer Gegner waren tot oder von Bord gegangen, doch die meisten der Sklaven hockten immer noch verängstigt an Bord der Galeere. So ordnete Faenwulf an alle Wertsachen vom Schiff zu holen und die Sklaven auf den Drakkar zu schaffen. Sie würden bis zum Strand segeln und die Gefangenen dort frei lassen.

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