Unser ist das Meer – Kapitel 23

Das Meer hier war so viel heller und klarer als oben im Norden. Seit Tagen segelten sie durch das türkisfarbene Wasser und sahen Tiere und Pflanzen, von denen sie noch nie gehört hatten. Es war heiß, für einige schon unangenehm heiß, doch niemand hatte die Mannschaft verlassen. Faenwulf hatte ihnen die Möglichkeit gegeben und noch einmal betont, dass er niemanden zwang bei der Herferd dabei zu sein. Sie hatten bei Altoum gehalten, wo ein Umkehren noch möglich gewesen wäre, doch niemand war gegangen. Von der berüchtigten Stadt Charypso aus, wäre eine Fahrt in den Norden eine Option, doch Charypso war eine Stadt voller Halsabschneider und Piraten. Riskant sich dort nach einem Schiff umzusehen.

Jetzt war umkehren keine Option mehr. Sie waren so weit ins Perlenmeer vorgedrungen, dass sie hier sicher nicht auf andere Schiffe treffen würden und wenn waren diese ihnen nicht wohlgesonnen. Die Waldinseln waren von Al’Anfa beansprucht, also mussten sie hier vorsichtig sein. Sie hatten bereits einige Nächte auf dem Drakkar verbracht, da sie weit raus gefahren waren. Noch immer verbreiteten einige Herferder schlechte Stimmung, doch Faenwulf erstickte diese im Keim. Sie hatten genug Gelegenheit zu gehen. Also Maul halten und rudern.

Die meisten beteten hier mehr zu Swafnir, da hier die Ferne zu ihm besonders zu spüren war. In diesem Teil der Welt beteten die Menschen Echsen und Schlangen an und jeder Thorwaler wusste wer am Anfang dieser Ungeheuer stand.

Matatoa war hier eine große Hilfe und Faenwulf war unendlich froh, den jungen Moha an Bord behalten zu haben. Er kannte die Gewässer und Inseln, wusste was man essen durfte und wo Süßwasser zu finden war und war generell sehr beliebt bei den Thorwalern. Er lernte schnell mehr ihrer Sprache und erzählte fröhlich vor sich hin, während die Herferder ihm gebannt lauschten. Matatoa hatte schon sehr viel von der Welt gesehen. Ebenso war er sehr begeistert von ihren Hautbildern und Faenwulf hatte ihm schon versprochen, dass er auch welche bekommen würde, die ihn schützten. Sein Haar hatte Matatoa bereits in thorwalschem Stil geflochten und mit Muscheln und Perlen geschmückt. Er erklärte ihnen, dass es nicht mehr weit war. Sie hatten schon einige der Inseln passiert und der gefürchtete Malstrom vor Aeniko war hauptsächlich eine Gefahr wenn man sich aus dem Norden näherte.

Die weißen Sandstrände waren den Thorwalern immer noch suspekt, ebenso dass das Wasser angenehm warm war und die Sonne selbst die Wettergegerbten verbrannte. Faenwulf begeisterte dies alles sehr. Er war noch nie so weit in den Süden gesegelt und seine engsten Berater, Karva und Blotgrimm, versicherten, dass er das Richtige getan hatte. Wenn sie hier wirklich einen Schatz fanden und nach Thorwal zurück brachten, würden die Skalden und Fidlari noch in hundert Jahren davon singen. Konnten sie nach so einem Abenteuer einfach wieder nach Hause fahren und ihrem Alltag nachgehen? Faenwulf bezweifelte dies stark bei den meisten Herferdern. Vor allem bei den Jungspunden. Wenn er ihre Begeisterung betrachtete, war es zweifelhaft ob sie jemals wieder in ihre Heimatstädte zurückkehren würden.

Matatoas Rufen riss ihn aus seinen Gedanken. „Dort ist sie“, rief er aufgeregt und deutete auf Land, das in der Ferne zu sehen war. Faenwulf spürte ein Kribbeln im Bauch und er versuchte die Zweifel zu verdrängen. „Da ist ein Schiff vor der Insel“, rief Eilif, der mit seinem scharfen Blick wieder mehr sah, als sie. Faenwulf verzog das Gesicht. Vielleicht hatten noch andere Wind von dem Schatz bekommen. Sie würden sehen. War dies wirklich der Fall würden sie einfach versuchen den Schatzsuchern die Münzen zu entreißen. Wer zuerst kam mahlte zuerst, doch wenn man auf Thorwaler auf Herferd traf, hielt man besser seine Münzen zusammen oder suchte das Weite.

Faenwulf befahl allen sich kampfbereit zu machen. Sie starrten gebannt auf die Insel und das andere Schiff. Es war, anders als ein Drakkar, vor der Insel vor Anker gegangen und als sie sich langsam näherten, hörten sie die ersten Schreie vom Strand. Ein paar Seefahrer waren auf dem fremden Schiff zurück geblieben und beschimpften die Thorwaler feindselig, als diese das Schiff passierten. Das würde Ärger geben. Faenwulf sah die ersten Toten am Strand, der Sand war rot gefärbt und auch die Wellen färbten sich langsam von Blut. Die Besucher, offensichtlich Piraten, lieferten sich einen Kampf mit den Bewohnern der Insel. Für Faenwulf sah es mehr wie ein Massaker aus, da die Eingeborenen den Piraten nur wenig entgegen setzen konnten. Ein paar der Seefahrer lagen mit dem Gesicht im Sand, durchbohrt von Pfeilen, doch die Feindseligkeit der Piraten hatte die Bewohner offensichtlich überrascht.

„Tötet alles was euch angreift“, sagte Faenwulf finster. „Ich kann keinen von euch entbehren.“ Er atmete tief durch und schon krachte der Drakkar auf den Strand. Die Thorwaler sprangen brüllend von Bord und stürzten sich auf die überraschten Piraten. Bevor sie wussten wie ihnen geschah wurden die ersten von Äxten gefällt. Matatoa stach zwei mit seinem Speer ab. Wilde Flüche ausstoßend wandten sich die Seefahrer nun ihren wesentlich wehrhafteren Angreifern zu. Sie waren erfahrene Kämpfer, die ebenso wie die Kinder Swafnirs auf Herferd gingen. Sie wussten also was sie taten. Faenwulf dachte kurz an die Jungspunde, die er nicht an so ein Piratenpack verlieren wollte. Während er einen gezielten Säbelschlag mit dem Skjald parierte, blickte er rüber zu Wulfgrimm, der sich eine tiefe Schnittwunde am Arm zugezogen hatte. Tjalf eilte ihm allerdings zur Hilfe und versenkte seine Axt mit lautem Knirschen tief in der Schulter des Piraten. Noch immer überschütteten die Piraten sie mit den wildesten Flüchen, doch der Widerstand wurde weniger. Ihr Kapitän sah anscheinend ein, dass es das alles nicht wert war. Das Gerücht um einen Schatz, den es vielleicht gar nicht gab, und er verlor hier gute Männer. Sie zogen sich ins Meer zurück. Einige ruderten zum Boot, andere schwammen. Die Jungspunde riefen ihnen nun ihrerseits wilde thorwalsche Beschimpfungen hinterher, doch es wurde nun ruhiger am Strand, bis schließlich nur das Rauschen des Meeres zu hören war.

Kapitel 22 | Kapitel 24