Unser ist das Meer – Kapitel 30

Ragin lachte erleichtert auf, während Tränen der Erleichterung Beorns Wangen herab liefen. Ingibjörg ging in die Knie und brach dann am Eingang der Höhle zusammen. Er hielt seinen Bauch, in dem eine tiefe Wunde klaffte, die stark blutete. Sofort schafften die Lehrlinge ihn ans Feuer und versuchten die Blutung zu stillen.

„Ihr solltet zurück gehen“, sagte Leif. „Nehmt ihn mit und versorgt ihn. Ich kümmere mich um den Rest.“ So schafften sie den alten auf den Karren, in dem Leif seine Werkzeuge transportiert hatte und fuhren damit zurück zum Grassodenhaus.

Olvir hatte es tatsächlich zurück geschafft. Das Pony graste friedlich neben den Ziegen.

Sie legten Ingibjörg auf sein Lager und nutzten, was er ihnen beigebracht hatte. Sie gaben dem Alten Knoblauch zu essen. Roch seine Bauchwunde nach kurzer Zeit nach Knoblauch, war ihm nicht mehr zu helfen. Es wäre ein Zeichen dafür gewesen, dass der Wolf seine Eingeweide zerfetzt hatte. Dies war jedoch nicht der Fall. Also gaben sie ihm ein Horn seines guten Kräuterschnapses und schlossen die Wunde mit etlichen Nadelstichen. Der Alte schlief sofort ein und die jungen Thorwaler wussten, dass er noch nicht über den Berg war. Sie legten schmerzstillende Kräuter unter seine Zunge und ließen den Alten dann allein. Nun versorgten sie auch ihre eigenen Wunden, aßen und tranken etwas und legten sich auf ihre Lager. Beide waren so erschöpft, dass sie Leifs Rückkehr nicht bemerkten. Trotz des steten flüstern der Runjas schliefen die beiden jungen Goden traumlos.

Anders als an anderen Morgen war der Alte nicht schon aufgestanden, als die Sonne sie weckte. Er war jedoch wach und unterhielt sich leise mit Leif, der an seinem Lager saß. Ingibjörg schenkte seinen Lehrlingen ein schmerzverzerrtes Lächeln. „Ich bin sehr stolz auf euch“, flüsterte er. „Ich muss jetzt ruhen, aber bald geht unsere Arbeit weiter. Wir müssen den Berg vorbereiten. Und jetzt holt mir etwas kaltes zu trinken.“ Die beiden jungen Männer schüttelten lachend die Köpfe und gingen raus, um ihrem Lehrmeister ein Horn kaltes Wasser zu bringen. Sie blickten überrascht auf, als sie sahen, dass das grüne Banner mit dem Antlitz des Wolfes über dem Plateau gehisst war. Leif musste es aufgestellt haben, als er zurück gekehrt war. Sie wussten nicht wieso, doch dieses Banner gab ihnen ein gutes Gefühl. Ein Gefühl von Sicherheit.

Sie schritten schweigend zum Brunnen, füllten den Eimer mit kaltem Wasser und gaben gleichzeitig den Ziegen neues Heu und füllten ihre Tränke.

„Es ist unglaublich was wir da gestern erlebt haben“, begann Beorn und blickte in den Wald Richtung der Höhle. „Und ich hoffe wir werden so etwas nie wieder erleben“, ergänzte Ragin trocken und nahm einen Schluck Wasser. „Ich dachte schon die Runjas wären schlimm, doch dieses Monstrum übersteigt alles Schreckliche, das ich je vorzustellen wagte.“

Sie füllten ein Horn mit Wasser und gingen zurück ins Grassodenhaus. Ingibjörg nahm einen tiefen Schluck, während er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Bauch hielt.

„Leif wird euch helfen alles vorzubereiten“, begann er und biss etwas von einem Stück frischen Brotes ab. „Nun da der Berg wieder sicher ist, müssen wir das Plateau vorbereiten. Es werden Bäume gefällt werden müssen, Steine geschleppt und Vorräte für den Winter angelegt. Sobald der Winter vorbei ist, wird es beginnen.“ Die Lehrlinge tauschten verwirrte Blicke, doch sie wussten, dass sie von dem Alten keine genauen Antworten würden erwarten können. Es war ebenfalls ein Teil der Prüfung. Wieviel Arbeit waren sie bereit zu leisten, ohne zu wissen wofür. Ingibjörg würde es ihnen mitteilen und Bäume fällen und Steine schleppen war tusund mal besser als gegen einen rachsüchtigen bösen Geist zu kämpfen. Außerdem sollten sie beginnen bevor der erste Schnee fiel.

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