Unser ist das Meer – Kapitel 34

Und schließlich war es soweit. Nur noch Faenwulfs Hab und Gut blieb zurück. Blotgrimm half ihm die Sachen zu tragen.
Ihr erstes Ziel sollte ein Gasthaus sein, in dem sie ihre Beute verstauen konnten. Doch ihr Weg wurde unterbrochen, als Blotgrimm Faenwulfs Aufmerksamkeit auf den Steg lenkte. Ein Teil der Herferder war im Hafen zurück geblieben und blickte zu ihnen herüber. Unter ihnen die Jungspunde. Vorsichtig traten sie an ihren jetzt ehemaligen Anführer heran. „Wir…“, begann Khemri, brachte seinen Satz jedoch nicht zu Ende. „Wir wollen nicht gehen“, eilte ihm Wulfgrimm zur Hilfe. „Wir wissen nicht wohin. Nach Hause wollen wir nicht.“ Auch die anderen Rekker nickten zustimmend. Faenwulf war sprachlos und auch froh, dass nicht nur er so empfand. Die lange Reise hatte sie verbunden. Enger zueinander gebracht, als es für eine angeheuerte Mannschaft üblich war. Natürlich empfanden nicht alle so. Einige waren schon ihrer Wege gegangen und vielleicht froh, wenn sie nie wieder einen Fuß auf die Vegahögg setzen mussten, doch die anderen, die sich jetzt hier versammelt hatten, wollten nicht mehr ohne sie sein. „Wir sind einfach keine Mannschaft mehr“, begann Blotgrimm und blickte die Anwesenden an. „Vielleicht sind wir schon eine Ottajasko.“ Faenwulf blickte seinen alten Freund an, der mittlerweile schon eher wie ein Bruder für ihn war. Was suchst du, Faenwulf?, hallte die Stimme des Alten in seinem Kopf. Du hast keine Ottajasko. Niemand braucht deine Herferd. Faenwulf blickte die Männer und Frauen an, die nach so langer Fahrt vor ihm standen. Vielleicht hab ich sie gesucht, dachte er.

Wo konnte man besser Entscheidungen treffen als in der Taverne? Ihr Hab und Gut sicher verstaut saßen sie nun zusammen, wie vor einem Jahr, und tranken. Eigentlich waren sie sich einig. Sie würden weiterhin zusammen bleiben. Sie würden eine Ottajasko sein. Doch wie gingen sie jetzt weiter vor? Vielleicht brachte das Ahl ihnen die Erleuchtung.
Es sprach sich schnell rum, dass ihre Herferd beendet war und welch ein Abenteuer sie erlebt hatten. Die eine Hälfte der Zuhörer feierte sie wie Helden, die andere Hälfte hieß sie Lügner und Hochstapler. Faenwulf war das egal. Obwohl die Münzen in seinem Geldbeutel klingelten, musste er diesen Abend keine Münze für Ahl oder Mjöt ausgeben. Jeder in der Taverne schien mit ihm trinken zu wollen und die Frauen warfen sich an seinen Hals. Auch Blotgrimm schien die Situation zu gefallen. Eine hübsche Kona auf jedem Knie, erzählte er überschwänglich von den Abenteuern die sie erlebt hatten.
Karva, offensichtlich betrunken von der Stimmung und zu viel Mjöt, setzte sich neben Faenwulf und legte einen Arm um seine Hüfte. „Ich hatte eine Idee“, flüsterte sie und kam Faenwulf dabei so nah, dass er eine angenehme Gänsehaut bekam. „Wir könnten zum Berg gehen. Ich habe dort mit Vater jahrelang gut gelebt. Es ist ein besonderer Ort und mein Vater wartet auf uns.“
War das eine Option sie alle zum Berg zu holen? Wie konnte es keine Option sein? Er hatte seine Rekker ans Ende der Welt geführt und wieder zurück. Sie wollten ihm weiterhin folgen und so musste er eine Entscheidung treffen. Betrunkener Kopf oder nicht. „Wir werden zum Berg gehen“, verkündete er lauter als gewollt und obwohl sie nicht einmal wussten wo dieser Berg lag stimmten die Anwesenden gröhlend zu.

Faenwulf erwachte am nächsten Morgen mit der Sonne in seinem Gesicht. Er hatte noch lange weiter getrunken, wusste aber nicht mehr wie lange. Zu seiner Überraschung lag Bryda neben ihm, nackt und tief schlafend. Faenwulf bedauerte es sehr, dass er sich an nichts mehr erinnern konnte, doch so wie er Bryda einschätzte würden dieser Nacht noch einige folgen.
Mit schmerzendem Kopf und nackt wie er war ging er zur Tür und lugte hinaus, als Blotgrimm ohne Kleidung an ihm vorbei schritt. Offensichtlich ebenfalls vom Katzenjammer geplagt schritt er zu einer Bank und sammelte seine Stiefel und seine Bruche ein. Zur Begrüßung brummte er Faenwulf einmal kurz zu und verschwand dann wieder in dem Zimmer in dem er die Nacht verbracht hatte. Das Lachen brachte seinen Schädel zum Dröhnen, doch Faenwulf konnte nicht anders. Nach einer Katzenwäsche während der er Bryda immer wieder Blicke voller Verlangen zuwarf, zog er sich an und ging nach draußen. Es fühlte sich einfach so viel besser an wieder Zuhause zu sein. Wieder hatte er viel geplant und sie hatten einen weiten Weg vor sich, doch in der Heimat zu sein, machte alles einfach so viel besser. Und in Thorwal und vor allem am Berg war sicher vor den Schergen des Sklaventreibers. Kein Al’Anfaner würde sich nach Thorwal trauen und kein Kopfgeldjäger zum Berg.

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